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Offener Brief 
an die derzeit amtierende Sozialsenatorin von Berlin

 

Sehr geehrte Frau Knake-Werner!

Möglich, dass Sie die Problematik Obdachlosigkeit nicht verstanden haben, möglich, dass Sie nicht verstehen können oder wollen -. die Realität sieht oft ganz anders aus, als es in der Theorie den Anschein hat. Zunächst muss ich Ihnen entgegnen, dass die quantitative Versorgung durch die bestehenden Kältehilfeeinrichtungen nicht ausreichend gewährleistet ist; unter qualitativem Aspekt betrachtet sogar katastrophal ist!

Den mit Abstand niedrigsten Standard bietet derzeit die Massenunterkunft der Berliner Stadtmission in der Lehrter Straße. Die von Ihnen bzw. dem Bezirk Mitte geförderten 60 Schlafplätze sind längst alle belegt, und die durch die Stadtmission finanzierten zusätzlich eingerichteten sechzig Übernachtungsmöglichkeiten (sofern sich letztere nicht im Schlafhaus, sondern im Speisesaal, der im Keller gelegen ist, befinden) haben noch nicht einmal das Mindestniveau mit Iso-Matten und Schlafdecke. Den bis zu 40 Personen im Speiseraum stehen gerade zwei(!) Toiletten und ein (!) Waschbecken zur Verfügung. Auf die bis zu achtzig Nutzer der Schlafräume kommen drei WC, von denen zwei mit Duschen kombiniert sind!!! Zudem ist es im Schlafhaus erbärmlich kalt und zugig, weil die metallenen Rahmen der Fenster im Treppenhaus offensichtlich nicht mehr funktionstüchtig sind und daher nur undicht schließen.

Dass dennoch die von Ihnen (und Ihren VorgängerInnen) großzügig angebotenen Wohnmöglichkeiten in Einrichtungen der verschiedensten Träger nicht nur ungern genutzt werden, sondern das im Winterhalbjahr viele bereits versorgte Wohnungslose dann doch lieber während der Kältehilfe in deren Einrichtungen zurückkehren, spricht weder für die Qualität der einen noch für die Qualität der anderen Angebote. Vielmehr ist es so, dass wir als Betroffene die Wahl haben zwischen Regen und Jauche: betrachten Sie den letzten Ausdruck als Synonym für die zahlenmäßig nicht ohne Grund unterbelegten Übergangseinrichtungen, die in der Regel kein halbwegs normales Leben geschweige denn eine tatsächliche Wiedereingliederung ermöglichen können (man hat dort letztlich die Wahl, entweder in einer Einrichtung zu leben, die ihre Bewohner wie kleine Kinder bevormundet oder die Möglichkeit, in einer Art rechtsfreiem Bereich leben zu müssen, in dem faktisch das Faustrecht regiert - beide Alternativen lehne ich wie viele andere Betroffene strikt ab)!

Ein besonders ärgerlicher Umstand ist es jedoch für viele von Obdachlosigkeit Betroffene, wenn sie sich in eine jener "Wohnungslosentagesstätten" verirren, in welchen der weitaus größte Teil der Gäste gar nicht zu jenem Personenkreis zählt, für den diese Einrichtungen eigentlich gedacht sind und die von Ihnen aus einem entsprechenden Fonds finanziert werden. Es gibt inzwischen tatsächlich einige Wärmestuben, die praktisch ausschließlich von Nicht-Wohnungslosen genutzt werden, die, um es altdeutsch zu formulieren, "obdachlosenfrei" sind, nicht zuletzt deshalb, weil deren Nutzer z.T. schon seit Jahren dort als Stammgäste verkehren und keine "Penner" dulden. Daher ist es z.B. auch für mich schwer bis unmöglich, passende Bekleidung, die aus Sammlungen stammt, zu erhalten, da diese oft an die nichtwohnungslose Klientel, die von Ihrer Behörde unterversorgt wird - Stichwort: Bekleidungspauschale! - kiloweise abgeschleppt wird.

Besonders delikat jedoch ist, wenn die Boulevardpresse in diesen Tagen Krokodilstränen wegen ausgesetzter Hunde vergießt, um ihre Leser sentimental einzulullen, und Sie vollmundig versprechen, "niemand wird abgewiesen" - ich schon; denn seit knapp einem Jahr gehört eine junge am Bahnhof Zoo ausgesetzte Hündin zu meiner Begleitung mit dem Effekt, dass mir seitdem kaum noch in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe Einlass gewährt wird.

Um es kurz und griffig zu formulieren: Ich finde Ihre Kältehilfe echt Scheiße!

Mit freundlichen Grüßen

Detlef Steinke

 

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