Das
Ende des „Kalten Krieges" und der Fall der Mauer führten zu
einer fundamentalen Veränderung des innenpolitischen Klimas in der
Bundesrepublik Deutschland. Mit der Durchlässigkeit des „Eisernen
Vorhanges" kehrte sich das in den zurückliegenden Jahrzehnten
beschworene Ziel nach „freiem Austausch von Menschen und
Meinungen" nahezu in sein Gegenteil. Politische Positionen, wie sie
nur von rechtsextremistischen Organisationen und Parteien vertreten
wurden, gehören seit Anfang der neunziger Jahre zum Standardrepertoire
„der politischen Mitte" und Teilen der veröffentlichten Meinung.
Die Themen Zuwanderung oder Sicherung der Sozialsysteme werden
eingebettet in „Anti-Asyl-Kampagnen" und „Sozialschmarotzer"-Debatten.
Der öffentliche Raum wird als Gegenstand privater Verwertungsstrategien
zunehmend im Kontext zur öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit
thematisiert.
Damit befinden sich auch
Vertreter der etablierten Parteien und Medien im Fahrwasser der
Stichwortgeber für rechte Gewalttäter.
Dass Gewalt für die Gruppe
der Obdachlosen eine Gefahr bedeutet, wird in der Öffentlichkeit jedoch
kaum wahrgenommen. Erst mit den Morden von Ahlbeck, Wismar und zuletzt
Dahlewitz wandte sich der Blick im Windschatten rechtsradikaler
Übergriffe auf Ausländer kurzzeitig auch dieser Opfergruppe zu. Dabei
ist Ausgrenzung und Gewalt gegen Obdachlose seit Jahren an der
Tagesordnung. „Kommunale Straßensatzungen" und „Bettelverordnungen"
mit den daraus resultierenden Aufenthaltsverboten und die
Vertreibungspraxis aus den Innenstadtbereichen finden ihren Niederschlag
in der zunehmend organisierten Gewalt gegen Obdachlose. Bislang
allerdings weitestgehend unbeachtet, als Randnotiz auf den hinteren
Seiten der lokalen, regionalen und überregionalen Tagespresse.
„Toter Dritter
Klasse" gibt einen Einblick in die Gewalt gegen Obdachlose. Die „Chronik
des Terrors" beschränkt sich nicht auf die Todesopfer. Sie
eröffnet deshalb einen Einblick in das Ausmaß der alltäglichen
Gewalt. Zeichnet nach, dass Gewalt, vor allem rechtsextremistisch
motivierte, kein „ostdeutsches Phänomen", sondern gleichermaßen
in den alten Bundesländern gegenwärtig ist. Die unvollständige „Chronik
des Terrors" ist zusammengestellt nach Presseberichten,
insbesondere von Lokal- und Regionalblättern, aus den Jahren 1994 bis
2001. Erst die Tatsache, dass über die Todesfälle hinaus mehr als
dreihundert Übergriffe auf Obdachlose angeführt werden, macht das
gesamte Ausmaß der Problematik deutlich.
Den Rahmen der Chronik
bildet beispielgebend der Mord an Dieter Manzke im brandenburgischen
Dahlewitz im Sommer 2001. Das Kapitel „Tod auf der Straße"
beleuchtet Einzelaspekte zu den Ursachen der Gewaltentwicklung. „Die
Stichwortgeber" reflektiert Debattenbeiträge und Stellungnahmen
lokaler- und bundespolitischer Prominenz.
Das Manuskript der Audio-CD
beschränkt sich auf bereits vorhandenes Material.
„Toter Dritter Klasse –
Chronik der Gewalt gegen Obdachlose" erhebt nicht den Anspruch auf
Vollständigkeit. Die vorgelegte Arbeit bleibt Fragment. Sie schließt
eine Lücke, dient als notwendige Ergänzung zu den seit Jahren
geführten, umfangreichen Dokumentationen über Opfergruppen von Gewalt.
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