Obwohl Politik und Wohnungswirtschaft
aufgrund des „entspannten" Marktes über die Unvermietbarkeit
ganzer Häuser klagen, werden ausländische Haushalte bei der
Wohnungssuche und der Miethöhe benachteiligt.
Die Mehrheit der in
Berlin lebenden Migranten fühlt sich in der Hauptstadt offenbar wohl. 53
Prozent gaben dies bei einer „Repräsentativumfrage zur Lebenssituation
türkischer Berlinerinnen und Berliner" an, die im Auftrag der
Ausländerbeauftragten des Senates vom Meinungsforschungsinstitut in Trend
– Gesellschaft für Markt-, Media- und Sozialforschung mbH – erstellt
worden ist. Doch wenn es um die konkreten Lebensgrundlagen der mit Abstand
größten Gruppe unter den Berliner Migranten geht, verschiebt sich das
Bild. Denn auf die Frage nach der beruflichen Situation gab mit rund 42
Prozent weniger als die Hälfte an, einen Arbeitsplatz zu haben.
Gleichzeitig erfahren die Berliner Türken nach eigenen Angaben
Diskriminierung vor allem bei der Arbeitsplatzsuche (14 Prozent), bei
Behörden (14 Prozent) und am Arbeitsplatz (11 Prozent).
Mit der Debatte um das Zuwanderungsgesetz
und den Ergebnissen der Pisa-Studie ist die Frage der „Integration"
in den Mittelpunkt gerückt. Dass Schulbildung, berufliche Qualifizierung
und Beschäftigung ausschlaggebend für eine erfolgreiche Integration
sind, bestreitet niemand mehr. Auf der politischen Agenda deshalb ganz
oben, bleibt eine entscheidende Voraussetzung für die positive
Entwicklung jedoch weitestgehend unbeachtet: die Wohnsituation von
Migranten. „Zahlreiche Probleme bei der Persönlichkeitsentwicklung von
Migrantenkindern rühren von den Wohnverhältnissen her. Wer keinen Platz
hat, um in Ruhe Schulaufgaben zu erledigen, kann auf Dauer den
Leistungsanforderungen nicht gerecht werden", weiß Andrea Schünke.
Über Jahre hat die Sozialpädagogin im Rahmen der Familienhilfe
ausländische Schüler betreut. „Neben den Sprachproblemen bilden die
Wohnverhältnisse einen entscheidenden Faktor dafür, wie es in der Schule
läuft", sagt Schünke.
Im ersten Armuts- und Reichtumsbericht der
Bundesregierung spielt die Wohnungsfrage allerdings eine verschwindend
geringe Rolle. In dem knapp 300 Seiten starken Papier werden die
Wohnverhältnisse von Zuwanderern gerade einmal mit 23 Zeilen erwähnt.
Danach würden allgemeine Wohnraumversorgungsprobleme für ausländische
Familien nicht mehr existieren, vielmehr bestünde nach einer Studie der
Ausländerbeauftragten der Bundesregierung „insgesamt eine hohe
Wohnzufriedenheit". Zwar räumt die Bundesregierung ein, dass die
Bedingungen „im Hinblick auf die verfügbare Wohnfläche und die
Wohnungsausstattung ungünstiger ist als bei der deutschen
Wohnbevölkerung", die Unterschiede seien „im Laufe der Zeit aber
geringer geworden".
„Deutlich höhere Mietbelastung"
Neben Bremen mit knapp 13 Prozent und Hamburg – rund 20 Prozent –,
gehört Berlin mit 15 Prozent zu den Großstädten mit dem höchsten
Ausländeranteil. Zwar sprechen Experten bei einem derzeitigen Leerstand
von rund 100.000 Wohnungen in der Hauptstadt von einem „entspannten"
Wohnungsmarkt. Doch bei genauerem Hinsehen ist die Situation vor allem
für Migranten prekär. Eine Arbeitslosenquote von 40 Prozent und ein
Anteil von 90 Prozent ohne Ausbildung führte in den vergangenen Jahren zu
einem dramatischen sozialen Abstieg allein in der türkischen Community.
Große Familien in zu kleinen Wohnungen ist immer noch die Regel.
Gleichzeitig müssen Ausländer auf dem Wohnungsmarkt für die Miete im
Verhältnis zu deutschen Haushalten wesentlich mehr berappen. „Obwohl
die durchschnittlich zur Verfügung stehende Wohnfläche im Vergleich zu
deutschen Haushalten geringer ist, weichen die Mietkosten nur geringfügig
voneinander ab. Auf Grund der im Durchschnitt geringeren
Haushaltsnettoeinkommen ergibt sich für nicht-deutsche Haushalte dadurch
eine deutlich höhere Mietbelastung", so die Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes lag die
durchschnittliche Mietbelastung für einen ausländischen Haushalt zum
Zeitpunkt der Stichtagserhebung für den Armutsbericht bei 30,7 Prozent.
Bei einem deutschen Haushalt waren es nur 26,7 Prozent. Noch deutlicher
ist die Differenz im Ostteil der Stadt. Während ein Deutscher lediglich
24,5 Prozent seines Einkommens für die Miete aufbringen musste, bezahlte
ein ausländischer Mieter 30,3 Prozent seines Einkommens.
Benachteiligung bei der Wohnungssuche
Auch bei dem Versuch eine Wohnung zu mieten, haben es Migranten schwerer.
In der Vergangenheit wurden immer wieder Vorwürfe laut, dass
ausländische Wohnungsinteressenten von den Hauseigentümern benachteiligt
werden. Insbesondere die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Stadt und
Land stand in der Kritik. „Es wird eine intensive Bewerbersuche
vorgenommen und konsequenter darauf geachtet, dass auch
einkommensstärkere Wohnungssuchende in Hinblick auf eine ausgewogene
Sozialstruktur der Mieterschaft in die Wohnungen einziehen", räumte
der Senat auf eine parlamentarische Anfrage ein. Jüngstes Beispiel ist
die Wohnungsgenossenschaft „Grüne Mitte" in Hellersdorf-Marzahn.
In einer Anzeige, die in mehreren überregionalen Tageszeitungen platziert
worden ist, wirbt das Unternehmen auf den ersten Blick mit einem
lukrativen Angebot. „Topsanierte Dreizimmerwohnung, knapp 70
Quadratmeter, 344 Euro Warmmiete". Doch in einem anderen Passus der
Annonce wird deutlich, wen sich das Unternehmen als zukünftigen Kunden
vorstellt. „Nur deutschsprachige Mieter mit laufendem Einkommen",
ist dort wörtlich zu lesen. Zusätzlich müssen die Wohnungssuchenden
eine Erwerbstätigkeit oder einen Rentennachweis vorweisen können. „Wir
interessieren uns für den Mieter, der mit unseren Bestandsmietern
übereinstimmt, der mit ihm kommunizieren kann", verteidigt Andrej
Eckhardt, Vorstandsvorsitzender von „Grüne Mitte", die
Auslesestrategie. Nur so könne im Bezirk eine sozial ausgewogene Struktur
gesichert werden. Menschen mit mangelnden Sprachkenntnissen und niedrigem
Einkommen lehnt das Unternehmen deshalb ab. In den Wohnungen, die sich im
Besitz der „Grünen Mitte" befinden, liegt der Ausländeranteil
aber gerade einmal bei 4 Prozent.
Den Plan, im Rahmen des Programms „Stadtumbau
Ost" mindestens 3.000 Wohnungen in den Ostbezirken der Abrissbirne
zum Opfer fallen zu lassen, hält Bausenator Peter Strieder (SPD) fest.
Denn allein in Hellersdorf-Marzahn stehe jede siebte Wohnung „wegen
Unvermietbarkeit" leer. Und dies, obwohl davon auszugehen ist, dass
in den kommenden Jahren Migranten verstärkt auf den Wohnungsmarkt
drängen werden. Das Aufbrechen traditioneller Familienstrukturen hat
bereits in der Vergangenheit zu einer erhöhten Nachfrage geführt. So hat
sich laut Statistischem Landesamt in den vergangenen Jahren die
durchschnittliche Personenzahl pro nichtdeutschem Haushalt dem deutscher
Haushalte kontinuierlich angeglichen.