Während in
Ostdeutschland der Leerstand boomt, droht in westdeutschen Großstädten
eine neue Wohnungsnot. Von Mieterorganisationen wird die
Wohneigentumsförderung der Bundesregierung als Steuersubvention für
Reiche kritisiert. Gleichzeitig drohen Mietern massive
Kostensteigerungen.
Der
Wohnungsmarkt in Deutschland bleibt auch weiterhin zweigeteilt. Dies
belegen Zahlen, die kürzlich der Deutsche Mieterbund (DMB) vorgelegt
hat. Während sich durch beschäftigungs- und abwanderungsbedingten
Bevölkerungsrückgang insbesondere in den ostdeutschen Ländern mit
rund 1,3 Millionen nicht mehr belegten Wohnungen ein zum Teil
dramatischer Leerstand entwickelt habe, komme es in Großstädten und
Ballungsgebieten in den alten Bundesländern mit vergleichsweise
positiven Wirtschaftsdaten zunehmend zu Engpässen in der
Wohnraumversorgung. Einzige Ausnahme im Westen ist Niedersachsen. Auch
hier meldeten einzelne Wohnungsunternehmen einen Leerstand von bis zu 12
Prozent.
Gleichzeitig stiegen die
Mieten auch im vergangenen Jahr weiter an. Im Durchschnitt zwar „nur"
um 1,3 Prozent. Doch bei genauerer Betrachtung sei deutlich, dass der
Anteil, den die Haushalte in Groß- und Universitätsstädten für den
Mietzins berappen müssten, immer größer werde. Dort stieg die
monatliche Miete um bis zu 13 Prozent. So weist der Mietspiegel in Köln
und Nürnberg Erhöhungen um 7 Prozent aus. Maklerverbände in Hamburg
verzeichnen Steigerungsraten von 7,3 Prozent und in Frankfurt sogar um
10,3 Prozent. Spitzenreiter ist München mit durchschnittlich 12,6
Prozent Mieterhöhung. Für das Jahr 2003 rechnet der DMB erneut mit zum
Teil massiven Steigerungen. Betroffen sein werden vor allem die
Wohnungsinhaber in München, Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Hamburg und
Berlin. Das es sich bei den Befürchtungen nicht um einseitige
Klientelpolitik handelt, bestätigt eine Prognose der „Immobilien
Zeitung". Um die aufgrund der steuerlichen Veränderungen zu
erwartenden Einnahmeeinbußen aufzufangen, kalkuliere die Vermieterseite
sogar Mietsteigerungen von bis zu 15 Prozent, so das Blatt in seiner
Januarausgabe.
Wohnungsbau weiter
rückläufig
Während sich in Teilsegmenten des Marktes bereits eine neue
Wohnungsnot ausbreitet, sind die Neubauzahlen weiter rückläufig. Nach
bundesweit 287.000 Fertigstellungen im zurückliegenden Jahr sind dies
noch einmal 12 Prozent weniger als im Jahr 2001. Damit setzt sich der
seit 1995 anhaltende Trend weiter fort. Auch im Mehrfamilienhausbereich,
dem klassischen Mietwohnungsbau, ist ein weiterer Einbruch zu
verzeichnen. Bei nur fertiggestellten 81.700 Wohnungen bedeutet dies ein
Minus von 18 Prozent. Das gleiche Bild zeigt sich bei den
Wohnungsbaugenehmigungen. Mit nur 265.000 waren dies 9 Prozent weniger.
Im Vergleich zu 1994 ein Minus um 63 Prozent.
Halbherzige Korrekturen
Zwar seien die Maßnahmen der Bundesregierung zur Begrenzung der
Eigenheimförderung und der Anpassung des Wohngeldes Schritte in die
richtige Richtung. Doch reichten die beabsichtigten Reformen bei weitem
nicht aus. „Die halbherzigen Korrekturen der bisherigen
Wohnungsbauförderung sind in erster Linie durch das Ziel bestimmt, den
Bundeshaushalt zu entlasten, aber noch keine befriedigende Antwort auf
die drängenden Probleme der unterschiedlichen
Wohnungsteilmärkte", kritisiert der DMB. Gleichzeitig weist die
Organisation Forderungen von Eigentümern, Bausparkassen und dem
Baugewerbe nach einem „bedingungslosen" Festhalten an
Eigenheimzulage und Mietwohnungsbau zurück. Nach den Plänen der
rot-grünen Bundesregierung sollen private Bauherren im laufenden
Haushaltsjahr durch die Eigenheimzulage und andere Fördermaßnahmen
immer noch Subventionen im Umfang von 11 Milliarden Euro erhalten. Der
DMB verlangt dagegen eine Halbierung der Förderung, da ohnehin nur „begünstigte
Haushalte" von dieser „sozial ungerechten" Maßnahme
profitieren würden. „Noch immer gehören 72 Prozent der Begünstigten
zu den 40 Prozent der reichsten Haushalte", kritisiert
DMB-Präsidentin Anke Fuchs. Das bisherige Fördersystem, das nicht
zwischen eklatanten Wohnungsmangel und dauerhaftem Überangebot auf
Teilmärkten unterscheide, müsse auf ein Investitionszulagensystem
umgestellt werden. Zumindest sollten die durch die Kürzung erzielten
Mittel in die Förderung der regionalen Wohnungsmärkte, in die
Aufstockung des Wohngeldes und zur Konsolidierung der Haushalte genutzt
werden. Die Organisation fordert eine politische Antwort auf das „Auseinanderdriften"
des Wohnungsmarktes. Notwendig sei eine Abkehr vom „Gießkannenprinzip"
hin zu einer gezielten Förderung notleidender Gebiete. So böten die
Programme „Stadtumbau Ost" und „Soziale Stadt" die Chance
zu einer Regionalisierung der Wohnungspolitik. Doch dürfe Stadtumbau
nicht zwangsläufig Abriss um jeden Preis bedeuten. Vielmehr sollten die
strukturellen Wohnungsleerstände dazu genutzt werden, um zu einer
verbesserten Qualität des Bestandes und zur Sicherung des Standortes zu
gelangen.
Christian Linde
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